Was ist Recht?

Wo Menschen als Gemeinschaft zusammenleben, braucht es Regeln. Verbindliche Verhaltensregeln bestimmen, wie wir uns verhalten müssen. Für Sicherheit werden die Freiheiten des Einzelnen eingeschränkt. 

In jeder Gesellschaft gibt es erzwingbare, vom Staat erlassene Regeln (Recht) und nicht erzwingbare, von der Gesellschaft aufgestellte Regeln (Sitte/Brauch und Moral). 

 

Recht

Als Recht werden erzwingbare Verhaltensregeln bezeichnet. 

Recht ist...

Erklärung

erzwingbar / durchsetzbar

Recht ist erzwingbar, d.h. die Verhaltensregeln können mit rechtlichen Massnahmen (z.B. Busse, Strafe, Betreibung) über den sog. Rechtsweg (d.h. durch die gerichtlichen Instanzen) durchgesetzt werden. 

Zur Durchsetzung rechtlicher Ansprüche gibt es je nach Tatbestand drei Instanzenwege: den zivilrechtlichen (Klage Bürger gegen Bürger), den strafrechtlichen (Anklage Staat gegen Bürger) und den verwaltungsrechtlichen Instanzenweg (Klage Bürger gegen Staat).  

 

kulturell und geschichtlich bedingt

Recht ist niemals losgelöst von den moralischen Grundwerten einer Gesellschaft. Noch immer enthält die Präambel (Einleitung) unserer Bundesverfassung einen Hinweis auf unsere christlich-geprägten Werte.

Menschen treffen im demokratischen Prozess nicht nur rationale, sondern auch ethisch und historisch geprägte Entscheidungen. Auch unsere Sitten und Bräuche ("So ist es anständig, so macht man es bei uns") beeinflussen uns. 

Recht unterscheidet sich von Sitte und Moral dadurch, dass sittliche und moralische Regeln nicht erzwingbar sind. Trotzdem kann ein Verstoss gegen "gute Sitten" eine Reaktion von Mitmenschen auslösen ("Das war sehr unanständig!"). Die Moral eines Menschen lässt sich von aussen kaum beeinflussen und ist sehr geprägt von der eigenen Einstellung (auch durch den Glauben und die Religion) und allenfalls von der Erziehung. 

  

veränderlich

Recht entsteht in der Schweiz durch den demokratischen Prozess. Das Volk hat die Möglichkeit Recht in der Bundesverfassung zu ändern (Volksinitiative, Art. 138 f. BV). 

Auf Gesetzesebene hat das Volk immerhin noch die Möglichkeit mit dem fakultativen Referendum (Art. 141 BV) auf einen Gesetzesentwurf des Parlaments zu reagieren. Verordnungen werden durch den Bundesrat erlassen. 

Aufgrund der Normenhierarchie (die BV ist das oberste Gesetz! Bundesrecht bricht kantonales Recht!) ist die Mitwirkung des Volkes sichergestellt. So ändert sich Recht immer, wenn es jemand verlangt und der Änderungsvorschlag von der Mehrheit angenommen wird. 

 

Sitte / Brauch

Als Sitte bezeichnen wir das Befolgen von allgemeingültigen Anstandsregeln, Gepflogenheiten oder Üblichkeiten ("Man macht es so."). Sitte ist nicht staatlich durchsetzbar (im Gegensatz zu Recht), wohl aber mit gesellschaftlichen Konsequenzen verbunden (z.B. Ausschluss aus einer Gemeinschaft).

 

Beispiele:

(1) Es ist üblich und anständig, einer älteren Personen den Sitzplatz im Bus freizugeben.

(2) Es ist üblich zu warten, bis jemand aus dem Zug ausgestiegen, ein Gebäude oder den Lift verlassen hat, bevor man selbst einsteigt oder eintritt. 

(3) Es ist anständig, jemanden den Parkplatz nicht wegzuschnappen, der bereits gewartet hat. 

 

Diese Beispiele zeigen, dass das anzustrebende Verhalten nicht wie der Verstoss einer Rechtsregel sanktioniert werden, aber eine Reaktion der betroffenen Personen auslösen kann (Reklamieren, Fluchen, Hupen usw.). 

 

Als Brauch bezeichnen wir ein zur Gewohnheit (Tradition) gewordenes Verhalten der Menschen. 

 

Beispiele:

(1) Weihnachtsfeier, "Wichteln", Fasnacht, Ostereier suchen

(2) Jährlicher Betriebsausflug

(3) Geschenke zum Geburtstag, feierliche Lieder singen

 

Auch bei diesen Beispiele sehen wir, dass ein Nichtteilnehmen an den Bräuchen keine Sanktion auslöst, aber dazu führen kann, dass man von einer Gemeinschaft ausgeschlossen wird.

 

Moral

Die inneren Regeln der Moral verlangen, dass man sich gut und gerecht verhält. Die Moral bezieht sich auf persönliche Werthaltungen, die häufig religiös begründet sind. Unsere Moral entspringt unserem Gewissen und kann auch als unsere "innere Stimme" bezeichnet werden. Die innere Haltung (Einstellung) eines Menschen ist nicht erzwingbar.

 

Beispiel: Ein Straftäter wird mit einer Freiheitsstrafe (Gefängnis) bestraft. Das Recht wird durchgesetzt. Ob er aber seine Moral, seine innere Einstellung zur Tat ändert, also Reue empfindet, kann damit nicht unbedingt bewirkt werden. 

 

Die Ethik, also die Lehre des sittlichen Verhaltens, schlägt uns Moralregeln vor, aber sie zwingt uns nicht sie zu übernehmen. Jeder Mensch entscheidet selbst, was gut und schlecht ist und stellt sich seine persönlichen Verhaltensregeln zusammen. 

Viele Menschen teilen mindestens die sog. "Goldene Grundregel der Ethik":

 

Sei fair und behandle andere so, wie du von ihnen behandelt werden möchtest.

 

Aus dieser allgemeinen Regel lassen sich konkrete Verhaltensweisen ableiten, wie zum Beispiel: Wenn dir etwas passiert ist, dann übernimm die Verantwortung dafür und achte das Recht des Schwächeren.

 

Ethik und Recht sind nicht zusammenhanglos. Wir versuchen unser Recht gerecht zu gestalten und die Grundregeln der Ethik umzusetzen. Daraus entstammt z.B. das Grundprinzip von Treu und Glauben (Art. 2 ZGB). 

 

Wie Moral und Sitte unser Recht verändern

Sitte, Moral und Recht stehen in einer Demokratie immer in einem Zusammenhang. Teilen viele Menschen die gleichen Moralvorstellungen (z.B. Grundwerte wie Gerechtigkeit, Rücksichtnahme, Achtung von Vielfalt - vgl. Präambel unserer Bundesverfassung), werden diese zu Sitte (auch Sittlichkeit). Entscheiden wir diese Verhaltensregeln in unsere Rechtsordnung aufzunehmen, werden sie zu Recht und damit zu erzwingbaren Regeln. 

 

Beispiel: Seit dem 1. Januar 2022 ist die "Ehe für alle" in Kraft. Das Zivilgesetzbuch wurde entsprechend angepasst. Die Schweizer Stimmbürgerinnen und Stimmbürger haben in der Volksabstimmung vom 26. September 2021 (aufgrund eines fakultativen Referendums) zugestimmt, dass homosexuelle Paare heterosexuellen Paaren rechtlich gleichgestellt werden sollen. Noch im Jahr 2004 war dies undenkbar. Damals wurde homosexuellen Paaren erst eine eheähnliche Rechtsgemeinschaft ermöglicht, die eingetragene Partnerschaft. Das Partnerschaftsgesetz ist am 1. Januar 2007 in Kraft getreten.

Unsere Einstellung gegenüber Regenbogenfamilien haben sich im Laufe der Jahre verändert, so dass eine Gesetzesänderung und eine rechtliche Gleichstellung möglich wurden. 

 

Mehr zum Familienrecht HIER.

 

Fazit

Das Zusammenleben von Menschen muss durch Verhaltensregeln geregelt werden. Ohne Verhaltensregeln käme es ständig zu Konflikten mit der Gefahr, dass diese eskalieren und der Friede in der Gesellschaft gebrochen würde. 

 

Der Staat sorgt für die Einhaltung von Rechtsregeln, um den Frieden zu sichern. Recht soll gerecht sein, indem es die Grundregeln der Ethik in durchsetzbare Verhaltensregeln umsetzt. 

Kommt es dennoch zu Konflikten, kann man das Gespräch mit der Streitpartei suchen, einen Mediator, eine Mediatorin hinzuziehen, um den Streit zu schlichten, oder die Gerichte anrufen.